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From Gottfried Brockmann Preis 2021
ISBN 978-3-927979-98-7

TITLE: LESS ALONE

Text by Nina Venus

Looking at In Jung’s art doesn’t come easy and to be drawn into her work doesn’t go without effort, as it means to engage with violence, injury, pain, and suffering. It means to allow remembrance of our personal experience of pain to surface, to let grieve and sorrow emerge and consciously be included into our viewing experience - a complex challenge.

Being in pain is terrible, we all try to avoid it and early on learn to prevent injuries of all sorts, be it a bump to the head, a scratch on the knee or a broken heart - and yet we don’t succeed. To live means to suffer. Living unavoidably entails experiencing injuries, enduring physical and mental pain, and learning to deal and cope with it, therefore, to hope and to heal.

Despite the profoundly universal and collective human experience of pain, it remains difficult to describe and to communicate pain comprehensively, as to a certain extent, individual pain always remains incommunicable and immeasurable.

Regarding pain and suffering in artistic representation, it always remains an approach and is an expression of individual transcendental coping with human existence, and since centuries repeatedly an attempt in the Arts. Alas, again and again, pain is an individual, complex, and existential experience and always anew, humans stand individually alone in pain.

For In Jung, skin functions like a frontier between the inside and the outside and constitutes a barrier between the Self and the World. All-embracing the skin encloses the individual like a membrane, which is permeable in both directions. To construct and build her sculptural and spatial installations, In Jung chooses to work with clay, a material highly sensitive and fragile, just like the Self. The clay is spread extremely thin and is formed into abstract shapes and concrete forms and vessels that connect and combine the inside and out, that intertwine, correlate, and cut into each other, gaping wide open. Packed in tight patterns, red colored fine lines run across and traverse the broken white surfaces, visually referring to bloody injured skin, metaphorically speaking of immense internal pain, the pain of the soul that pushes hard from within, seeping to the outside.

In her work, In Jung translates and visualizes wounds from the past into the present and urges us, if we dare, to connect with her and to follow her. By remembering our own pain and including it in our viewing and exploration of her work, we share the experience and therewith include the hope to be a little less alone. The work of In Jung challenges and provokes to connect our own memory of pain with our viewing experience, as only thorough compassion, and empathy her art fully reveals itself to us.

Nina Venus



Lesen auf Deutsch TITEL: WENIGER ALLEIN

Die Kunst von In Jung zu betrachten ist nicht leicht und sich auf ihre Arbeiten einzulassen nicht einfach, denn es bedeutet sich mit Gewalt, Verletzung, Schmerz und Leiden auseinanderzusetzen. Es bedeutet eigene Schmerzerfahrung bewusst zu erinnern, zuzulassen und in die Betrachtung miteinzubeziehen - eine komplexe Herausforderung.

Schmerzen zu haben ist furchtbar, davor hüten wir uns alle und von klein auf lernen wir und versuchen wir Verletzungen zu meiden, von der Beule am Kopf, der Schramme am Knie, zum gebrochenen Herzen – und doch gelingt es nicht. Zu leben bedeutet unvermeidbar mehr oder weniger Verletzungen an Leib und Seele zu erfahren, Schmerzen zu haben, auszuhalten und den Umgang mit physischen und psychischen Wunden zu lernen, zu hoffen und zu heilen also.

Trotz der zutiefst universellen und kollektiven, menschlichen Erfahrung des Schmerzes, bleibt Schmerz und Leiden schwer zu beschreiben, vollumfänglich mitzuteilen und allgemeingültig zu definieren, bleibt doch Schmerz immer auch unermesslich.

Ebenso in der künstlerischen Darstellung bleibt Schmerz eine Annäherung, eine individuelle, transzendente Daseinsbewältigung und ist seit Jahrhunderten aufs Neue, ein Versuch in der Kunst. Immer wieder ist tiefer Schmerz ein individuelles, komplexes, existentielles Erlebnis und immer wieder aufs Neue ist der Mensch im Schmerz allein.

Für In Jung stellt die Haut als Organ die Grenze zwischen dem Innen und Außen, dem Ich und der Welt dar, wie eine Membran umspannt die Haut das Individuum, durchlässig und verletzlich in beide Richtungen. Empfindlich und zerbrechlich, wie das Selbst, ist das Material, das In Jung wählt, um ihre skulpturalen, raumgreifenden Installationen zu konstruieren. Hauchzart wird die Tonmasse ausgewälzt und geformt, in abstrakte Hüllen und konkrete Formen, die das Innen und Außen miteinander verbinden, verschlingen und ineinandergreifend durchschnitten aufklaffen lassen. Die feinen Linien, die die gebrochen weißen Oberflächen dichtgedrängt überziehen und durchfurchen, sind rot gefärbt, verweisen bildlich auf blutig verletzte Haut und den inneren Schmerz, den Schmerz der Seele, der nach außen drängt.

In Jung gelingt es, vergangene Wunden in die Gegenwart zu übersetzen und sichtbar zu machen, wenn wir es wagen ihr zu folgen, indem wir uns erinnern. Indem wir den eigenen Schmerz in die Betrachtung einbringen, teilen wir die Erfahrung und damit die Hoffnung, darin weniger allein zu sein. Das Werk von In Jung fordert diese Verbindung eigener Erlebnisse, das Erinnern eigener Erfahrungen beim Betrachten heraus, denn nur durch das Mitfühlen erschließt sich uns ihr künstlerisches Schaffen.

Nina Venus, 29. September 2021,
Ile de Ré



ⓒNina Venus (www.ninavenus.de)


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